Platz nehmen #2: Parliament of Delicacies
Eine Veranstaltungsreihe zur öffentlichen Debattenkultur am Schillerplatz von Akademie | Kunst | Öffentlichkeit
Protestkultur, Aktionen im öffentlichen Raum, „taking the streets“ um eine Botschaft kundzutun, haben im öffentlichen Bewusstsein im 21. Jahrhundert einen großen Platz eingenommen. Welche Ambitionen verfolgen solche Interventionen im öffentlichen Raum und welchen Effekt wollen und können sie erzielen? Gibt es einen Wiener Kontext, in dem sich künstlerischer Aktivismus abspielt? Wie ist dieser im Vergleich zu anderen Städten einzuordnen? Wie manifetiert und konstituiert sich eine politisch aktive Gesellschaft im öffentlichen Raum und welche architektonisch-urbane Maßnahmen und Settings können zum nachhaltigen offenen Diskurs in einer Stadt wie Wien beitragen?
In der zweiten Veranstaltung der Eventreihe Platz nehmen vor der Akademie am Schillerplatz, diesmal konzipiert und gestaltet von einer Studierendengruppe des Instituts für Kunst und Architektur, wird ein Parlament als architektonische Intervention in und mit der Öffentlichkeit installiert, um Fragen zu Kunst im öffentlichen Raum im freien Austausch zwischen geladenen Gesprächspartner_innen, Teilnehmer_innen und dem Publikum zu erörtern.
Die Architekturstudierenden sind besonders an der Schnittstelle zwischen Stadt und Verwaltung und den Möglichkeiten, durch Eingriffe in den urbanen Raum Diskurse zu gestalten, interessiert, was sie mit dem Parliament of Delicacies an Ort und Stelle erproben wollen. Als Kern- und Steuerungselement zur Diskursführung wird die Vergabe von kleinen, delikaten Häppchen zischen den Programmbeiträgen eine kulinarische Leitlinie erzeugen. Ergänzt wird das in sich verändernden Settings ausgetragene Event am Schillerplatz durch eine raumgreifende künstlerische Performance von Luiza Furtado. Aktion und Gespräch zu vereinen, ist Gegenstand und Ziel der Veranstaltung.
Nach dem ersten Teil des Parliament of Delicacies wird die Performance Hybrid Viscera von Luiza Furtado, Studierende Bildende Kunst, die Teilnehmenden zu einem Orts- und Richtungswechsel am Schillerplatz anregen. Die 20 minütige Performance ist eine weitere Sequenz aus der fortlaufenden Serie der Künstlerin, die Materialität und Abfall im Anthropozän thematisiert. Verwobene Beziehungen von Upcycling und Tanz als gemeinschaftsbildende Praktiken nehmen eine zentrale Rolle in der Erzählung ein, in der sechs Tänzer_innen mit Stoffmembranen im urbanen Raum interagieren und eine fiktive Umgebung schaffen, um verschiedene Mobilitätsmuster zusammenzuführen.
Konzeption und Setgestaltung:
Alexander Groiss, Roxane Seckauer, Julian Schönborn und Maximilian Gallo, Studierende am Institut für Kunst und Architektur
Gäste
Johan Hartle, Rektor Akademie der bildenden Künste Wien
Mona Hahn, Professorin Kunst und Intervention | Öffentlichkeit
Daniela Herold, Institut für Kunst und Architektur
Elke Krasny, Professorin Kunst und Bildung
Cornelia Offergeld, Kuratorin KÖR Wien
Stephan Hartmann, WieNeu +
Christian Teckert, Lehrender Institut für Kunst und Architektur
Andreas Spiegl, Lehrender Institut für Kunst und Kulturwissenschaften
Performance
Konzept: Luiza Furtado
Tänzer_innen: Francis Hirschl, Frederike Gordillo, Leandro Barros, Luiza Furtado, Miao Fangping, Thomas Vava
Kamera: Fedor Handzo
Sounddesign: Francis Hirschl
Dokumentation: Lily Zlotover
Hybrid Viscera (2024/2023) ist eine fortlaufende Performanceserie von Luiza Furtado, die Materialität und Abfall im Anthropozän thematisiert.
Verwobene Beziehungen von Upcycling und Tanz als gemeinschaftsbildende Praktiken nehmen eine zentrale Rolle in der Erzählung ein, in der sechs Tänzer mit Stoffmembranen im urbanen Raum interagieren. Diese Bewegung der Körper spinnt einen fiktiven Raum, in dem weiche Skulpturen zu prothetischen Verlängerungen der Gliedmaßen werden. Die Performer aktivieren Geräte, die aus gefundenen Materialien wie Gummi, Metall und gebrauchten Stoffen bestehen. Sie verkörpern sowohl organische als auch anorganische Komponenten, die in der Stadt als Material für die Choreografie vorhanden sind. Die Künstlerin zeigt allegorische Szenen von Maschinenbewegungen, die bei der industriellen Herstellung verschiedener wiederverwerteter Elemente zum Einsatz kommen. Sie präsentiert eine Abfolge von metaphorischen Handlungen, die die inneren Strukturen, die einen Körper zusammenhalten, aufgreifen: Knochen, Knorpel und Eingeweide. Mit den äußeren Strukturen, die ihn im öffentlichen Raum Wiens einrahmen: wie Schienen, Fassaden und Fundamente.
Das Stück spielt mit einem temporären Setting, in dem die PerformerInnen ihre Rolle im Schillerpark wechseln, während sie das Publikum durch den Raum führen, um verschiedene Mobilitätsmuster zusammenzuführen.
Biografien (alphabetisch gereiht)
Luiza Furtado, geboren in Florianopolis, einer Insel in Brasilien, lebte sie über 20 Jahre in Rio de Janeiro, wo sie 2021 ihren Bachelor in Industriedesign an der PUC Universität erhielt. Seit zwei Jahren lebt sie in Österreich, wo sie im Fachbereich für kontextuelle Malerei bei Professor_in Ashley Hans Scheirl an der Akademie der bildenden Künste Wien studiert. Ihre performativen Arbeiten, die sie als Rituale der Ermächtigung beschreibt, basieren auf prothetischen Experimenten mit upgecycelten Textilien aus einer queerfeministischen Perspektive.
Maximilian Gallo ist Architekturdesigner, der zwischen Kulturwissenschaften und Architekturpraxis arbeitet. Er vermittelt Informationen und Erfahrungen durch Publikationen, Gebäude und Workshops. In seiner Baupraxis – ua. für das Atelier Fanelsa in Berlin und Gerswalde sowie bei BeAr architects in Bilbao - will er ökologisch und energetisch sinnvolle Lösungen entwickeln, die zwischen räumlichen Visionen, zeitgenössischen und traditionellen Bauweisen, zwischen städtischen Wohnungen und ländlicher Umgebung vermitteln. Er hat einen Bachelor of Arts in Kulturwissenschaften an der Universität Hildesheim und anschließend einen Bachelor of Architecture an der Akademie der bildenden Künste in Wien erworben.
Alexander Johann Groiss, geboren 1997 in Österreich, absolviert derzeit seinen Master in Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er auch seinen Bachelor-Abschluss erworben hat. Alexanders Arbeit beschäftigt sich mit der Stadt, ihren Bewohnern und deren Lebensweisen. Seine Projekte agieren im Spannungsfeld der gesellschaftspolitischen Worte Wiens und der Welt, wollen gesellschaftliche Entwicklungen antizipieren und als Schaufenster der Gesellschaft wirken, mit der Absicht der tatsächlichen Beteiligung und Wirkung. Er hat u.a. auf der Biennale von Venedig und im Architekturzentrum Wien ausgestellt.
Julian Schönborn absolviert derzeit sein Bachelor-Studium der Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Mit seinem Studium verbindet er sein Interesse an Design, aber auch an Ingenieurberufen. Schon früh begann er, außerhalb der akademischen Welt zu arbeiten. Unter anderem in verschiedenen Architekturbüros und Kollektiven. Aktuell arbeitet er an der Gestaltung sozialer Räume mit dem Handwerkszeug eines Architekten. Er ist derzeit Mitglied der Lehrplankommission des Instituts für Kunst und Architektur und vertritt dort die Studierenden, indem er an der Gestaltung der Lehre mitwirkt.
Roxane Milena Johanna Seckauer ist Studentin der Kunst und Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Psychologie an der Universität Wien und einen in Architektur an der Akademie. Ua. leitete sie einen Workshop der Europäischen Architekturversammlung, der sich mit den Möglichkeiten des öffentlichen Raums befasste und die normative Nutzung der Allmende in Frage stellte, indem er sich auf die direkte Erfahrung und unmittelbare Aktionen in kleinem Maßstab konzentrierte. Ihre Arbeiten wurden mit Preisen ausgezeichnet und unter anderem auf der Biennale von Venedig, im Architekturzentrum Wien und bei der Ausstellung digital dreams in London ausgestellt.