Zeichnungen, Aquarelle und Ölskizzen des deutschen und österreichischen Spätklassizismus. Bestandskatalog des Kupferstichkabinetts der Akademie der bildenden Künste Wien
FWF | Einzelprojekt
geleitet von Robert Wagner, Bibliothek und Kupferstichkabinett
Projektlaufzeit: 1.12.2000 – 30.11.2003
Ausgehend vom spezifischen Sammlungsprofil des Kupferstichkabinetts erschien es sinnvoll, im nach den Zeichnungen der Romantik zweiten Band der Sammlungskataloge des 19. Jahrhunderts unter dem Stilbegriff des Spätklassizismus drei große Komplexe zusammenzufassen, die hervorragend vertreten sind: die Zeichnungen von Bonaventura und Camillo Genelli, jene des mit Bonaventura Genelli eng befreundeten Carl Rahl und dessen Atelier sowie die Zeichnungen von Anselm Feuerbach, die sich thematisch auf die Vorarbeiten zur Deckenausstattung der Großen Aula des von Theophil Hansen entworfenen Akademiegebäudes beschränken. Die mit diesem zeichnerischen Bestand eng verbundenen Quellentexte, die sich ebenfalls in der Sammlung des Kupferstichkabinetts befinden, wurden im Anschluss des Kataloges erschlossen und kommentiert.
Der Bestandskatalog der Zeichnungen, Aquarelle und Ölskizzen des deutschen und österreichischen Spätklassizismus soll einen Beitrag zur Aufwertung dieser Strömung vor allem in ihrer Bedeutung für Wien leisten - auch wenn das Erscheinungsbild im Werk von Carl Rahl und seines Ateliers vielfach "neobarock gebrochen" erscheint. Hielt sich der Neoklassizismus in Europa nicht weit über die Jahrhundertmitte hinaus, so reicht er in Wien in den Künstlern der Rahl-Schule als Träger dieser Stilrichtung bis an die Schwelle zum 20. Jahrhundert. Der enge künstlerische Konnex zwischen Genelli und Rahl kann - trotz aller Verschiedenheiten in Themenwahl und stilistischer Ausführung - am Bestand des Kupferstichkabinetts hervorragend dokumentiert werden.
Gemeinsam ist diesen beiden Künstlern - ebenso wie dem von Rahl entscheidend geförderten Feuerbach - die Suche nach dem Elementaren und Ursprünglichen in tradierten Themen vor allem des griechischen Mythos. Diese stets als retrospektiv charakterisierte Kunstströmung trägt ein enormes Innovationspotential in sich: einerseits in formaler Hinsicht, betrachtet man Genellis schönlinige Aktzeichnungen, die in ihrer Eigendynamik des Lineaments unmittelbar an wesentlich später entstandene Zeichnungen eines Gustav Klimt erinnern, und andererseits in der Thematik, führt doch die freie, vielfach inspirative Interpretation des tradierten Themenrepertoirs über diese hinaus zu einer"Gedankenkunst", deren Auswirkung sich bis weit in das 20. Jahrhundert erstreckt.