Jutta Koether, Silke Otto-Knapp | Love in a void
Eröffnung: Donnerstag, 19.10.2006, 19.00 h
Dauer der Ausstellung: 20.10. - 03.12.2006
Öffnungszeiten: täglich 11.00 - 18.00 h
Ausstellungsräume der Akademie der bildenden Künste Wien, Schillerplatz 3, 1010 Wien
Jutta Koether und Silke Otto-Knapp sind zwei Malerinnen, für die das Bild Durchgangs-station ist. Es ist keine Behauptung, vielmehr Forderung nach diskursivem Austausch, nach Sprache und Kommunikation. Mit der Ausstellung "Love in a void", kuratiert von Eva Maria Stadler, will die Akademie der bildenden Künste Wien einen weiteren Beitrag zur aktuellen Debatte über die zeitgenössische Malerei leisten.
Die Arbeit der beiden Künstlerinnen eint eine besondere Unnachgiebigkeit im Umgang mit dem Medium Malerei. Während Jutta Koether sich mit der Auflösung und Verschiebung malerischer Mythen beschäftigt, geht es Silke Otto-Knapp um die Durchlässigkeit des Mediums. Gleich einer Membran wird die Oberfläche behandelt, Spuren werden gezogen, bilden Verweise auf historische Kontexte, denen Form und Inhalt gleichermaßen verpflichtet sind. Jutta Koether malt ebenfalls gegen Geschichte an. Dabei arbeitet sie sich nicht an stilistischen Problemen ab, sondern formuliert eine Methode - Malerei als kritische Praxis.
Jutta Koether ist eine der wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart. Ihr besonderer Stellenwert liegt in erster Linie darin, dass sie sich jeder Kategorisierung oder Zuordnung - sei es als Malerin, als Kritikerin oder als Performancekünstlerin - entzieht. Vielmehr ist die Vielfältigkeit ihrer Arbeit künstlerische Praxis.
Jutta Koether begann mit ihrer Arbeit Mitte der achtziger Jahre in Köln. Es war eine Hochzeit der Malerei. Es war aber auch eine Hochzeit von Punk, Punkrock und der Entwicklung einer Popkultur, was nicht zuletzt in der Begründung der Zeitschrift "Spex", deren Mitherausgeberin Jutta Koether war, zum Ausdruck kommt. Koether arbeitet alleine, genauso wie in künstlerischen Konstellationen, beispielsweise mit der Sängerin Kim Gordon von Sonic Youth, der Malerin Rita Ackermann, mit Steven Parrino oder Tom Verlaine. Malerei, Musik und das Schreiben sind Instrumente Koethers. Weniger als um den so genannten interdisziplinären Austausch geht es ihr aber um die ständige Herausforderung, sich den Transformationen der Erzählungen, sei es der malerischen, musikalischen oder textlichen, zu stellen. Es ist die Produktionsleistung, die Koether der Wahrnehmung von außen, einer öffentlichen, ihrer eigenen hinzufügt. Ihre Kritik ist nicht bloße Beschreibung eines Bildes, einer Erzählung, sie ist Teil eines neuen Bildes.
Jutta Koether, die in ihrer jüngsten Schau im Kölnischen Kunstverein einen beein-druckenden Überblick über ihre künstlerische Arbeit seit Mitte der achtziger Jahre gegeben hat, zeigt in der Ausstellung an der Akademie vorwiegend rote Bilder. Ein lebendiges, glühendes, vibrierendes, strahlendes Rot, ein verletzliches, schmerzvolles, aggressives Rot. Koether spielt auf der Klaviatur der Farben, verleiht ihnen die poetische Kraft eines Liedtextes, genauso wie sie mit ihnen kunstgeschichtliche Traditionen reflektiert. "Anger, Anger" ist ein Bild über den Zorn und zugleich eine Hommage an den Filmemacher Kenneth Anger. "K" steht für Kenneth, aber auch für Koether. Es ist Jutta Koether um die Involviertheit in institutionelle und künstlerische Zusammenhänge zu tun. Die subjektiv anmutende Bildsprache erhält ihr Gegengewicht durch einen zeichenhaft malerischen Gestus.
Ein wiederkehrendes Moment in Jutta Koethers Bildern ist die Leere weit aufgerissener Augen. Es sind Augen von strahlender Offenheit und panischer Angst. Es ginge darum, "dem Gespenstischen ins Auge zu schauen, mit den Gespenstern zu leben", sagt Derrida, denn nur so kann dem Abgründigen kritisch und reflexiv begegnet werden.
Silke Otto-Knapp gehört jener Generation von Künstlerinnen an, für die eine diskursive Auseinandersetzung mit der eigenen wie mit einer erweiterten Kunstproduktion fast selbstverständlich geworden ist. Wie Jutta Koether hat auch sie in ihren Anfängen an der Mitherausgabe einer Zeitschrift, dem englischen "afterall", mitgearbeitet, und damit markante Schwerpunkte in der Diskussion wesentlicher Tendenzen der Gegenwartskunst gesetzt.
In der Wiener Ausstellung zeigt Silke Otto-Knapp eine Gruppe von meist kleinformatigen Gemälden, in deren Mittelpunkt die menschliche Figur steht. Waren es bis vor kurzem Landschaften, die Silke Otto-Knapp mit ihrer Malerei untersucht hat, hat sie sich nun das Verhältnis von Körper und Raum vorgenommen.
Schlüsselszenen aus der Geschichte des modernen Tanzes bilden häufig den Ausgangspunkt für Otto-Knapps silbrig schimmernde, transluzide Bilder. Während Jutta Koether dem Malerischen mittels Text und Musik auf die Spur zu kommen versucht, um im nächsten Moment wieder gegen den Strich zu malen, kommt bei Silke Otto-Knapp dem Fotografischen eine besondere Bedeutung zu. Die Künstlerin interessiert sich für Szenen, denen signifikante und/oder berühmte Fotografien vorausgegangen sind.* Für die Verschränkung zweier historischer Erzählungen, der Geschichte des Tanzes mit der Geschichte der Fotografie, erscheint Silke Otto-Knapp das Medium Malerei besonders geeignet, die jeweilige Prozessualität, das Werden eines Körperbildes, in der Materialität des Malerischen nachzuvollziehen und ihm dadurch Präsenz zu verleihen. Das langsame Schichten der Farben entspricht der Körperbewegung genauso, wie dem chemischen Prozess des fotografischen Bildes. Man könnte bei den metallisch flirrenden Bildern an die Anfänge der Fotografie denken, an die Daguerreotypie, als das Bild als Unikat auf einer Silberplatte belichtet, und auf dieser selbst entwickelt worden ist. Das Bild erscheint auf der Oberfläche und ist gleichsam von seinem Verschwinden bedroht.
"Figures and Group" ist ein Bild, das sich auf "Les Noces" bezieht, ein Ballett, das, choreografiert von Bronislava Nijinsky, der Schwester Vaclav Nijinskys, erstmals 1923 zur Aufführung kam. Silke Otto-Knapp entwirft mit ihrem Gemälde ein Prisma, das die formale Anordnung der Körper innerhalb eines gesellschaftlichen Gefüges, ihre Involviertheit in soziale und politische Räume genauso zum Ausdruck bringt, wie Aufführungspraxis und Bildgeschichte des Balletts. Ihre konzentrierte, und gleichzeitig zurückhaltende Geste im Malerischen eröffnet ein Feld in dem die Figuren ihre Balance zwischen Festschreibung und Öffnung innerhalb des Raumgefüges zu suchen scheinen.
* Barbara Clausen hat im Rahmen des Symposiums "After the Act" darauf hingewiesen, dass die Geschichte der Performancekunst eng mit jener der Fotografie verknüpft sei. So hat die Performancekünstlerin Joan Jonas kontinuierlich mit der Fotografin Babette Mangold zusammengearbeitet, ein Foto von einem performativen Vorgang ist mehr als bloße Dokumentation.
Text: Eva Maria Stadler, Kuratorin
Ausstellungsgespräch
mit Jutta Koether, Silke Otto-Knapp, Martin Prinzhorn und Eva Maria Stadler
Mittwoch, 15.11.2006, 17.00 h
Jutta Koether
Geboren 1958 in Köln, lebt und arbeitet in New York.
Ausstellungen und Projekte (Auswahl) | Kölnischer Kunstverein (2006), Reema Spaulings Fine Art, New York (2006), Whitney Biennial , New York (2006), Thomas Erben Gallery , New York (2005), Tate Modern , London (2005), Galerie Daniel Buchholz , Köln (2004), Galerie Meerrettich, Berlin (2004), P.S.1 New York (2004), Frankfurter Kunstverein (2003), Grazer Kunstverein (2003), Swiss Institute , New York (2002), Pat Hearn Gallery, New York (1999), Generali Foundation , Wien (1991)
Silke Otto-Knapp
Geboren 1970 in Osnabrück, lebt und arbeitet in London.
Ausstellungen und Projekte (Auswahl) | Gavin Brown's enterprise , New York (2006), Van Abbemuseum , Eindhoven (2006), Metro Pictures , New York (2006), Grazer Kunstverein (2006), Tate Britain , London (2005), Hayward Gallery , London (2005), 9th Istanbul Biennale , Istanbul (2005), Hammer Museum , Los Angeles (2004), Rooseum Center for Contemporary Art , Malmö (2003), Galerie Karin Günther , Hamburg (2002), Cubitt , London (1999)
LeihgeberInnen
Galerie Daniel Buchholz, Köln
Ioannis Christoforakos Collection, Athens
greengrassi, London
Sammlung Lang
Sammlung Van Abbemuseum, Eindhoven
Privatsammlung, London