Digitalisierungsstrategie Akademie der bildenden Künste Wien
Digitale Technologien sind immer auch Organisationsweisen gesellschaftlichen Zusammenlebens. In dieser Weise stehen sie an Kunstakademien zur Disposition. Die Einbeziehung digitaler Technologien ist für das strategische Selbstverständnis der Akademie der bildenden Künste Wien entscheidend. Die Relevanz der Digitalisierung bemisst sich aber an ihrem Wert für die Kernkompetenzen einer Kunstuniversität.
Insbesondere an einer Kunstuniversität ist die Verknüpfung von Digitalem und Analogem mehr als nur eine Frage der (technischen) Mediennutzung. Gerade die Covid19-Pandemie hat sehr deutlich gezeigt, dass sich durch die Verlagerung physischer Kontakte an digitale Orte Strukturen und soziale Zusammenhänge in digitalen Handlungssystemen verflüchtigen und zunehmend unklar werden. Mit nie dagewesener Geschwindigkeit und nicht ohne Nebeneffekte wurde eine Vielzahl von digitalen Werkzeugen im Bildungswesen – auch an der Akademie – etabliert. Damit wurden die Auswirkungen von Digitalität im universitären Alltag deutlich, nicht selten als Reduktion der sinnlichen Komplexität von sozialer Interaktion.
In diesem Sinn gehört es zu den zentralen Aufgaben der Akademie, das digitale Portfolio (in Lehre, Forschung, Verwaltung) zu erweitern. Dabei ist eine umsichtige Abwägung digitaler Tools und Prozesse entscheidend, um eine differenzierte und reflektierte Verwendung digitaler Werkzeuge in der universitären Ausbildung zu ermöglichen.
Zum Profil der Akademie der bildenden Künste Wien gehört wesentlich die kritische und reflexive Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Prozessen sowie mit den Machtverhältnissen, die sich in diesen verdichten. Diskurse unter anderem zu Genderfragen und Fragen der Intersektionalität, zu Klimagerechtigkeit, die für die Akademie profilbildend sind, finden im Themenfeld der Digitalisierung, in dem sich alle diese Fragen noch einmal entfalten, eine Ergänzung. Daraus entsteht ein erweitertes Themenfeld für pointierte künstlerische Arbeit.
Digitale und analoge Zugänge haben mit denselben Problemstellungen zu tun. Im Sinne einer Methodenvielfalt bleiben sie deshalb oft nebeneinander bestehen. Hybride Lern-, Lehr- und Forschungslandschaften fordern den gleichzeitigen Einsatz breitgefächerter digitaler und analoger Werkzeuge und Medien. Sie werden insofern auch die zukünftigen Entwicklungen an der Akademie wesentlich prägen.
Digitalisierung in Studium und Lehre
Beim Einsatz digitaler Werkzeuge in der Lehre gibt es für die jeweiligen Wissensfelder und Disziplinen Chancen und Risiken. Die Akademie steht für eine Digitalisierung mit Bedacht. Sie treibt die Vermittlung digitaler Kompetenzen[1] sowie die theoretische Reflexion über entsprechende Entwicklungen laufend voran. Durch Veranstaltungen und Kooperationen mit einschlägigen Netzwerken, Institutionen und Projekten ist die Auseinandersetzung mit Entwicklungen der Digitalisierung an der Akademie sichergestellt. In der digitalen Kommunikation gilt es aber auch Vereinseitigungen von Lehr- und Lernprozessen vorzubeugen. Digitale Zugänge sind sozial spezifisch. Während einerseits Digital Natives gezielt über digitale Kommunikation zu erreichen sind, ist ein umfassender Zugang zum Internet zugleich für andere nicht selbstverständlich. Solche Ausgrenzungsmechanismen, die sich durch unterschiedliche Vorerfahrungen mit und Zugängen zu digitalen Arbeitsweisen ergeben, sind kontinuierlich zu analysieren und durch gezielte Angebote und Förderungen abzubauen. Neue Medien und Kommunikationsformen eröffnen zugleich ein inklusives Potenzial, das klassische Bildungskonzepte sowie etablierte akademische Arbeitsweisen erweitert.
An einer Kunstuniversität ist die Präsenzlehre zentral. Darüber hinaus werden die Potenziale digitaler Angebote zur Unterstützung der Lehre und des Studiums sowie für die Erhöhung von Flexibilität und Zugänglichkeit genutzt. Digitale Services und Infrastruktur werden fortwährend ausgebaut, um die Erweiterung der Lehr- und Lernmethoden zu unterstützen.[2] Bei diesem Ausbau geht es insbesondere um Online-Zugänge zu Lehr- und Lernangeboten. Diese Entwicklungen implizieren zudem die laufende Aktualisierung und Verbesserung des Campusverwaltungssystems (inkl. des Student Lifecycle Service) sowie von unterrichtsbezogenen Anwendungen (Moodle etc.).[3]
Digitalisierung in Forschung, Entwicklung und Erschließung der Künste
Die Digitalisierung der Akademie erfordert eine inhaltliche Fokussierung der Forschungsinhalte und der Perspektiven der Kunstpraxis. Mit dem Schwerpunkt Medienrestaurierung in der Konservierung und Restaurierung (IKR) und mit den Schwerpunktbereichen zur Medienkunst (IBK) findet eine intensive Auseinandersetzung in Hinblick der Möglichkeiten digitaler Kunst statt. Darüber hinaus wird die digitale Forschung in Kunst und Architektur (IKA), in der Kunstdidaktik (IKL), in Naturwissenschaften und Technologie (INTK) sowie in den Kunst- und Kulturwissenschaften (IKW) weiter akzentuiert. Dies spiegelt sich auch bei Antragsstellungen und Forschungskooperationen wider.
Die Forschungslandschaft der Akademie profitiert von digitalen Umgebungen – insbesondere in der Erschließung und Dissemination von Forschungsergebnissen. Auch bei der Anbahnung, Einwerbung und Verwaltung von Drittmitteln und der Vernetzung von Förderinstitutionen spielen digitale Plattformen eine entscheidende Rolle. Die Akademie orientiert sich an den Prinzipien des offenen – digitalen – Zugangs im Sinne von Open Science und Open Access.[4] Die Plattformen und Schnittstellen, die die Akademie auf diesen Ebenen mit vielfältigen Öffentlichkeiten zusammenbringt, werden weiter ausgebaut.
Eine besondere Herausforderung für die Digitalisierungsprozesse an der Akademie ist das heterogene Datenmaterial, das es zu erschließen, zu präsentieren und zu bewahren gilt. Die historischen Sammlungen eröffnen, auch aufgrund ihrer Gegenwartsorientierung, vielfältige Forschungszugänge. Um die Vielfalt der Daten und Inhalte abzubilden und adäquat weiter zu entwickeln, bedarf es geeigneter Formate. Die Akademie beteiligt sich aktiv an Kooperationen zum Ausbau digitaler Infrastrukturen.[5]
Digitale Öffentlichkeiten
Der Anspruch der Akademie, als öffentliche Institution auch einem öffentlichen – und eben nicht nur partikularen, milieuspezifischen – Interesse zu dienen, ist Teil ihrer Digitalisierungsstrategie. Dazu zählt die digitale Barrierefreiheit auf allen Ebenen[6] sowie die Adressierung diverser Kontexte in digitalen Formaten.[7] Die Reichweite der Akademie wird durch digitale Medien erhöht, indem nachdrücklich Personen angesprochen werden, die primär digital sozialisiert sind. Für das vielfältige Veranstaltungsprogramm wird die Nutzung hybrider Formate immer wichtiger. Diskussionen, Tagungen und Konferenzen sowie deren Ergebnisse können so ortsunabhängig und langfristig zugänglich gemacht werden.[8] Ein strategischer Schwerpunkt der Akademie ist in diesem Sinne der Abbau von Barrieren und der Ausbau der sozialen Durchlässigkeit durch gezielt eingesetzte digitale Kommunikation.
Eine besondere Rolle spielt auch die digitale Zugänglichkeit der Bestände der Sammlungen und Archive der Akademie.[9] Hier sind Forschungsbestrebungen zur Erschließung der Sammlungsbestände und Datenbanken weiterführend kooperativ zu denken. Die intensive Zusammenarbeit mit Kunst- und Kulturinstitutionen sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen unterstützt die Akademie darin, die Vielfalt an Exponaten, Ausstellungen und Veranstaltungen diversen Zielgruppen über digitale Formate sichtbar zu machen.
Digitalisierung in der Verwaltung
Verwaltungsprozesse können durch die Nutzung digitaler Technologien wesentlich vereinfacht und entlastet werden[10]. In Kooperation mit anderen (Kunst-)Universitäten gilt es gemeinsam die vorhandenen Potenziale im Sinne von Shared Infrastructures und Services zu prüfen und abzuwägen. In diesem Sinne wird die Teilnahme an einschlägigen universitären Kooperationen[11] intensiviert. Aber auch in Bezug auf Abläufe innerhalb der Akademie gilt es die Anforderungen an Effizienz und die Vermeidung von Redundanzen transparent und auf den jeweiligen Bedarf abgestimmt umzusetzen. So bedürfen etwa individuelle Lehr- und Lernumgebungen gezielt zugeschnittener Verwaltungssysteme und Schnittstellen. Auch die Forschung und nicht zuletzt die Studierenden benötigen passgenaue digitale Angebote, die in Verwaltungsprozesse eingegliedert sind und gleichzeitig auf die Nutzer_innenperspektive abgestimmt werden Dafür müssen marktgängige Services mitunter adaptiert werden, um für den spezifischen Universitätsbetrieb anwendbar zu sein. Dabei gilt es, Nachhaltigkeitsaspekte zu stärken und die wirksame Nutzung von digitalen Umgebungen für mobiles Arbeiten, virtuelle Kommunikation und papierfreie Administration voran zu bringen.
Verantwortung und Selbstverpflichtung
Die Akademie der bildenden Künste Wien sieht sich einem Prozess der reflexiven und abwägenden Digitalisierung verpflichtet. Digitalisierung ist an einer Kunstuniversität nie Selbstzweck. Die positiven Nebeneffekte der zunehmenden Nutzung digitaler Tools sind ebenso zu beobachten wie die Verluste, die sich aus der Verdrängung analoger Arbeitsweisen ergeben.
Auch um hinreichend sensibel auf diese Herausforderungen zu reagieren, können die weitreichenden Prozesse der Digitalisierung nur miteinander und in akademieweiter Abstimmung umgesetzt werden. Das Vizerektorat für Infrastruktur und Nachhaltigkeit koordiniert die zentralen Projekte und Entwicklungen mit dem Zentralen Informatikdienst, mit Digitalisierungsbeauftragten und Projektleiter_innen. Darüber hinaus werden Diskursformate eingerichtet, die die Weiterentwicklung der Digitalisierung kompetenzgetrieben und theoriegeleitet mit Forscher_innen, Lehrenden und Kolleg_innen im Bereich der Verwaltung sowie externen Expert_innen reflektieren. Ergänzt werden diese zentral koordinierten Prozesse durch zielgerichtete Aus- und Weiterbildungsprogramme, um alle Mitglieder des Hauses einzubinden und die schrittweise Umsetzung dieser Digitalisierungsstrategie zu gewährleisten. So wird den Herausforderungen im Zusammenspiel mit allen Bereichen der Akademie begegnet und gleichzeitig der Digitalisierungsdiskurs verantwortungsvoll geführt.
März 2023
Mag. Dr. Johan Frederik Hartle Mag.a Dr.in Ingeborg Erhart Mag. Werner Skvara
[1] Vorhaben Digitale Kompetenzen: Curricula-Entwicklung und digitale Weiterentwicklung; didaktische und administrative Unterstützung für Lehrende; die (Selbst-)Einschätzung der digitalen Kompetenzen Lehrender und Studierender etc.
[2] Vorhaben E-Learning: Schaffung einer zentralen Einrichtung zur Weiterentwicklung von technologieunterstütztem barrierefreiem Lehren und Lernen; didaktische und administrative Unterstützung der Lehrenden und Studierenden; mobile Hybridausstattung; Anlaufstelle für die Zertifizierung von Open Education Resources (OER) an der Akademie
[3] Vorhaben Student Lifecycle: Einführung Studienplan-Organisation (SPO) – digitale Abbildung der Studienprogramme in AkademieOnline; Weiterentwicklung von digitalen Zulassungsverfahren mit analoger Anbindungsmöglichkeit; digitale Portale für Studium und Lehre (u:space) auf individueller Ebene; Capacity Building – digitale Weiterbildung für Studierende und Alumni
[4] Vorhaben Open Access / Open Science: PID – persistent Identifier auf Personen-, Institutionen- und Objektebene; Beteiligung an ORCID Austria, DOI-Service Austria, FAIR DATA Austria etc.
[5] Vorhaben Repositorium und FIS/CRIS-System: Ablöse des aktuellen Repositoriums durch PHAIDRA; Implementierung von Portfolio/Showroom als niederschwelliges und userfreundliches Dokumentations- und Veröffentlichungstool; Entwicklung von Schnittstellen
[6] Vorhaben digitale Barrierefreiheit: Synergy Space; Barrierefreie Bibliothek; Plattform Vielfalt; Website neu; Einreichplattform für Wettbewerbe und Ausschreibungen der Akademie
[7] Dafür steht im Besonderen die Plattform Vielfalt.
[8] Vorhaben Veranstaltungen: Green Event-Management als Weiterbildungsformat; digitale Dokumentation von Veranstaltungen; mobile hybride Ausstattung
[9] Vorhaben Sammlungen und Archivierung: Akbild-Forum; Digitalisierung von Beständen (mehrere Projekte); digitale Archive für Forschungsergebnisse
[10] Vorhaben digitale Verwaltungsprozesse: Smart Work Flow; digitale Signaturen; Erasmus Mobility Online; digitale Zulassungsverfahren mit analoger Anbindung
[11] exemplarisch angeführte universitäre Kooperationen: ACOnet, ORCID Austria, PHAIDRA-Netzwerk, DOI-Service Austria, Österreichischer Bibliothekenverbund, Kooperation E-Medien Österreichs (KEMÖ)