Geschichte der Restaurierung in Österreich: Erfahrungswissen und disziplinäre Professionalisierung
ÖNB | Jubiläumsfonds
geleitet von Wolfgang Baatz und Sigrid Eyb-Green, Institut für Konservierung-Restaurierung
Projektlaufzeit: 1.11.2018 – 31.10.2022
Das Projekt beschäftigt sich mit der Geschichte der Konservierung-Restaurierung, einer Disziplin mit künstlerisch-handwerklichen Traditionen, die ab Mitte des 20. Jhdts einen intensiven Professionalisierungsprozess durchlief. Dabei nahm implizites Wissen eine wichtige Stellung ein, dessen Weitergabe mündlich oder durch die Arbeit am Objekt erfolgte. Wissenschaftliche Textproduktion fand nur vereinzelt statt. Der Tod von Zeitzeug_innen bedeutet daher einen sukzessiven Verlust von Informationen und Wissen. Diesem Umstand soll – erstmals für Österreich – durch eine systematische Befragung der Protagonist_innen entgegengewirkt und somit Wissen um Entwicklungen in Methoden und Materialien bewahrt und Berufsbild, Aus- und Weiterbildung, Netzwerke und Identität beforscht werden. Da Kunst und Kulturgut immer auch Produkte ihrer Biographien sind, ist die Kenntnis früherer Restaurierungen die Voraussetzung für ein umfassendes Verständnis und ein reflektiertes Handeln in Gegenwart und Zukunft.
Anhand zweier exemplarisch ausgewählter disziplinärer Fachbereiche − der Wandmalerei- und Papierrestaurierung − soll die Geschichte der Disziplin und des Berufs in Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jhdts beschrieben und in einen wissenschaftshistorischen Kontext eingeordnet werden. In dieser Zeit fanden grundlegende Veränderungen in der Konservierung-Restaurierung statt: die Gründung internationaler Organisationen, die Spezialisierung und Institutionalisierung der Ausbildung, die Entwicklung vieler neuer Methoden und Materialien. Damit änderten sich auch Stellung bzw. Selbstverständnis von Restaurator_innen.
Die Schwerpunktsetzung der Studie auf die beiden sehr unterschiedlichen Fachbereiche ist sinnvoll, da die Entwicklung der Konservierung-Restaurierung in dieser Zeit eine immer stärkere Diversifizierung erlebte, was sich in der Restaurierpraxis niederschlug. Gleichzeitig erlaubt der Vergleich jedoch auch allgemeine Entwicklungen und Strömungen zu reflektieren und aufzunehmen.
Das Projekt stellt die erste Phase eines langfristigen Vorhabens dar, in dem anhand von Interviews und deren Analyse nicht niedergeschriebenes Wissen der Nachwelt erhalten werden soll. Die aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse können somit auch in Zukunft weiter verdichtet und die Geschichte der Restaurierung in Österreich weiter geschrieben werden. Das Audiovisuelle Archiv als Kooperationspartner ermöglicht es die Interviews auch für kommende Forschung verfügbar zu machen.
Das Forschungsdesign lehnt sich an ein sozialwissenschaftliches Mixed-Methods Design an. Konkreter handelt es sich um ein sequenzielles Mixed-Methods Design, in dem an eine vorgelagerte qualitative Phase eine quantitative Phase anschließt. Die Ergebnisse der qualitativen Phase bilden dabei die Grundlage für die quantitativ orientierte Erhebung. Durch diese Kombination soll eine facettenreiche Darstellung des Untersuchungsgegenstandes erzielt werden. Methodisch soll durch die Kombination erreicht werden, die Schwächen der einen durch die Stärken der jeweils anderen Methode auszugleichen. In der vorgelagerten qualitativen Phase kommt ein leitfadengestütztes biographisches Expert_inneninterview zum Einsatz. Darauf folgt eine quantitativ orientierte Fragebogenerhebung. Zur Ergänzung der Erkenntnisse wird über den gesamten Forschungsprozess hinweg eine parallel verlaufende Literatur- und Dokumentensichtung und -analyse durchgeführt.
Biographien | Projektteam
Wolfgang Baatz
1978 Mag.art. Konservierung und Technologie, Akademie der bildenden Künste Wien, Arbeit als freiberuflicher Restaurator, vorwiegend Wandmalerei und Architekturoberfläche; zahlreiche Arbeiten in Niederösterreich und Wien, Salzburg und Tirol, 1984 ICCROM Kurs "Conservation of Mural Paintings" , 1983˗87 Lehrauftrag an der Akademie der bildenden Künste Wien: Restaurierung von Wandmalerei, 1985˗94 Studium an der TU Wien, 1993 Diplom-Ingenieur der technischen Chemie (Auszeichnung), TU Wien, 1993 Lecturer ICCROM Kurs "Conservation of Mural Paintings" (Lösemittel, Reinigung), 1994 Ordinarius für Konservierung-Restaurierung, Akademie der bildenden Künste Wien, Vorstand des Instituts für Konservierung-Restaurierung. Zahlreiche Forschungsaktivitäten, insbesondere in der forschungsgeleiteten und -relevanten Lehre, Projekt Consultant (Palais Epstein Wien, Beethoven Fries von Gustav Klimt, Österreichisches Parlament - Generalsanierung); Mitbegründer von EnCoRE (1997; European Network for Conservation-Restoration Education) und Chairman of the Board of EnCoRE (seit 2009).
Sigrid Eyb-Green
studierte von 1994-99 am Institut für Konservierung-Restaurierung der Akademie der bildenden Künste Wien. Nach mehreren Jahren freischaffender Tätigkeit als Restauratorin in New York und Wien kehrte sie 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Institut zurück, wo sie seither den Studienschwerpunkt Papierrestaurierung betreut. 2009 promovierte sie über Leopold Kupelwiesers Freskenzyklus im Gebäude der niederösterreichischen Statthalterei in Wien. Von 2008 bis 2016 war Sigrid Eyb-Green im Vorstand des Österreichischen Restauratorenverbandes (ÖRV) und Delegierte beim Dachverband der europäischen Restauratorenverbände European Confederation of Conservators-Restorers (E.C.C.O.), seit 2012 ist sie Koordinatorin der ICOM-CC Arbeitsgruppe Art Technological Source Research . Zusammen mit Ute Henniges ist sie seit 2014 Editor in Chief der Fachzeitschrift Restaurator - International Journal for the Preservation of Library and Archival Material (De Gruyter).
Catherine Bouvier
absolvierte ein Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien (Abschluss 2007 Mag.phil.) und ein Studium der Konservierung und Restaurierung, Schwerpunkt Konservierung-Restaurierung von Papier/Foto/Buch/Archivmaterial an der Akademie der bildenden Künste Wien (Abschluss 2011 Mag. art.). Es folgte ein Andrew W. Mellon Fellowship am Los Angeles County Museum of Art. Seit 2015 ist sie als selbständige Restauratorin (Albertina, Kunstforum, MAK, NHM, Wien Museum, private Auftraggeber) und Vorstandsmitglied des Österreichischen Restauratorenverbands (Redaktion des Journals) in Wien tätig. Im Zuge eines Doktoratsstudium der Philosophie an der Akademie der bildenden Künste Wien (seit Sommersemester 2016) besucht sie Lehrveranstaltungen zu den Themen Wissenschaftsgeschichte und qualitative und quantitative historisch-sozialwissenschaftliche Methoden.
Magdalena Schindler
schloss 2012 ihr Studium der Konservierung und Restaurierung mit Schwerpunkt Wandmalerei/Architekturoberfläche an der Akademie der bildenden Künste Wien ab. Seitdem ist sie als selbständige Restauratorin und seit 2014 auch als Lektorin am Institut für Konservierung-Restaurierung an der Akademie der bildenden Künste Wien in diesem Bereich tätig. Sie ist Vorstandsmitglied des International Institute for Conservation Austria . Im Zuge ihrer selbständigen Tätigkeit befasste sie sich bereits mehrfach mit der Geschichte der Restaurierung, beispielsweise bei der Aufarbeitung des Aktenmaterials zu dem langjährigen Restaurierprojekt der romanischen Wandmalereien im Läuthaus des Stifts Lambach, OÖ (1957˗1990). Seit 2016 belegt sie ein Dokoratsstudium (Dr.phil.) und beschäftigt sich insbesonders mit Methoden der sozialwissenschaftlichen und historischen Forschung.