Weibliche Kunstmitglieder im 18. Jahrhundert
Bis ins Jahr 1870 konnten aktive Künstler sich um eine Mitgliedschaft an der Akademie bewerben. Die damals fortschrittlichere Kupferstecherakademie Jakob Matthias Schmuzers – 1772 mit der k.k. Hof-Akademie zur k.k. Akademie der bildenden Künste vereinigt – nahm schon im 18. Jahrhundert auch weibliche „wirkliche Kunstmitglieder“ in ihre Reihen auf.
An der Akademie der bildenden Künste Wien waren Frauen erst mit Wintersemester 1920/21 zum Studium zugelassen. Dennoch gab es im 18. und frühen 19. Jahrhundert einige Schülerinnen und mit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts beginnen Nennungen weiblicher Kunst- und Ehrenmitglieder.
Die Möglichkeit, (Kunst-)Mitglied der Akademie der bildenden Künste Wien zu werden, bestand fast seit den Anfangszeiten der Institution; es durften dieser Gesellschaft nur ausgebildete (aktive) Künstler beitreten, die außerdem ein sogenanntes Aufnahmstück (eine Aufnahmearbeit) vorzulegen hatten. (1) Der Statutenentwurf von 1726 sah eine langwierige Anmeldungsprozedur vor:
„10.
Die Canditati sollen Sich in der Academie anmelden, und Ihr arbeith vorzaigen, damit Mann erkenne, ob Sie genugsambe Fähigkeit haben, und würdig seynd in dem Schutz, und Protection der Academie auf- und angenohmen zu werden .“ (2)
Der akademische Rat konnte darüber hinaus neue Mitglieder zur Aufnahme empfehlen. Diese hatten eine Auswahl bisheriger Arbeiten vorzulegen, dann wurde, im Falle einer günstigen Begutachtung, ein weiteres Werk seitens des Direktors in Auftrag gegeben, erst dann erhielt der Kandidat das Thema für das eigentliche Probestück.
Erst 1751 gibt es die erste namentliche Mitgliedernennung; laut Statut 1751 konnten die sogenannten „Associjrten Academici “ nur dann der Akademie „einverleibt“ werden, wenn sie „zuvor durch ihre selbst eigene Arbeit Proben ihrer Fähigkeit abgeleget“ , worüber die „versamlete Academici zu Urtheilen haben“ , worauf, bei positiver Beurteilung, ein Probstück angefertigt werden müsse. ( 3 )
Das prächtige Statut der Kupferstecherakademie von 1767 zeigt die Wertschätzung, die Maria Theresia dieser entgegenbrachte.
Mitglied werden konnten „Mahler von allerley Arten, wen sie nur die erforderliche Stärcke in der Kunst besitzen, sie mögen sich übrigens in Historien, Schlachten, Landschaften, Bildnüßen, Thieren, Früchten, Blumen oder Miniatur hervorthun. Bildhauer, unter welchen auch geschickte Gold- Silber- Stahl- und Stempel-Schneider mit-verstanden werden; dann Baumeister und Kupferstecher.“ (4) In Paragraph Undecimô wird den Anwärtern ein einjähriger Akademiebesuch vorgeschrieben.
In den Statuten von 1800 und 1812 ( 5 ) wurden von den zukünftigen Mitgliedern nur mehr herausragende und öffentlich anerkannte Leistungen als Künstler erwartet; die Wahl fand mittels Ballottierung statt, also durch schwarze Kugeln bei Ablehnung und weiße bei Akzeptanz. (6) Bis 1870 wurden an der Akademie Mitglieder aufgenommen. (7)
Die Mitgliedschaft brachte nicht nur Renommee, sondern auch praktische Vergünstigungen und Privilegien, darunter die Befreiung von diversen Steuern (etwa der Industrialsteuer (8) und der Hantierungssteuer (9) ) und der gemeinen Gerichtsbarkeit, aber auch den Schutz gegenüber dem zünftisch organisierten Handwerk, die Befreiung von der Militärstellung und die Berechtigung zum Tragen einer „Civil-Uniform“. (10)
Vor ihrer Vereinigung mit der Akademie der Maler und Bildhauer 1772 wurden einige Frauen als Kunstmitglieder an der Kupferstecherakademie Jakob Matthias Schmuzers (wie er sich selbst schrieb) aufgenommen. Schmuzer war anscheinend etwas fortschrittlicher als seine Kollegen und scheint den Unterricht von Frauen an seiner Akademie sogar vorgesehen zu haben. Jedenfalls konzipierte er frei zugängliche Abendkurse nach dem bekleideten (!) Modell. (11)
1768 wurde die Malerin Anna Dorothea Therbusch Mitglied der Kupferstecherakademie. (12) Sie wurde von ihrem Vater, dem polnischen Maler am Hof König Friedrich Wilhelms in Berlin Georg Lisiewski, unterrichtet und schuf zahlreiche Gemälde. (13) Ihr „Aufnahmstück“ befindet sich in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien.
Im selben Jahr wurde „Frau von Cont [Conte], Mitglied der Akademien in Rom Florenz, Parma, und Bolonien [Bologna]“ Mitglied der Kupferstecherakademie. Es handelt sich um die Kunstliebhaberin, Pastellmalerin und Druckgrafikerin vor allem naturwissenschaftlicher Themen Marguerite Lecomte (1717–1800). Sie war Schülerin Claude-Henri Watelets und lebte mit ihm und ihrem Ehemann in einer Ménage à trois. (14) Das Universitätsarchiv bewahrt ein zeitgenössisches Aufnahmediplom für die Mitglieder der Kupferstecherakademie.
1771 gab es einen – für damalige Verhältnisse – regelrechten ‚Aufnahmeboom‘ von Frauen an der Kupferstecherakademie. Als Kunstmitglieder wurden aufgenommen: (15) die Pastellmalerin Gabriele Beyer, geb. von Bertrand, Kunsterzieherin der Töchter Maria Theresias und mit dem Hofbildhauer Maria Theresias Wilhelm Beyer verheiratet (16) , sowie die Pariser Kupferstecherin Anne Philibert Coulet und die Porträtmalerin Gertrude de Pélichy. (17)
Für diese Frauen scheint die in den Statuten verlangte Besuchspflicht des Unterrichts der Kupferstecherakademie nicht gegolten zu haben. Inwieweit sie von den Mitgliederprivilegien profitieren konnten, lässt sich aus den Akten des Universitätsarchivs nicht belegen. Sabine Plakolm-Forsthuber geht davon aus, dass sie im Unterschied zu den adeligen Dilettantinnen, die sich nur zum Vergnügen (ital.: diletto ) künstlerisch betätigten, ihre Kunst zum Beruf machten. (18)
Frauen beteiligten sich in dieser frühen Zeit auch an den Kunstausstellungen der Akademie, Gabriele Beyer (geb. Bertrand) etwa 1774, 1777 (19) und 1786; (20) sie wird in den Ausstellungskatalogen dezidiert als Mitglied bezeichnet. (21)
Blättert man im Katalog von 1786, finden sich noch einige andere Künstlerinnen, von denen Barbara Krafft, die unter ihrem Mädchennamen Steiner („Mademoiselle Barbara Steinerinn“) aufscheint, die bekannteste ist . (22) Möglicherweise führte ihre Teilnahme an der Ausstellung zu der Annahme, sie wäre 1786 zum Mitglied ernannt worden . (23)
Kaiserin Maria Theresia, die selbst in jungen Jahren Unterricht durch die berühmte venezianische Pastellmalerin Rosalba Carriera (1675–1757) erhalten hatte, (24) scheint in jedem Falle an der Förderung von Frauen interessiert gewesen zu sein. (25)
Nach der „Vereinigung“ der Kupferstecherakademie mit der k.k. Hof-Akademie im Jahr 1772 vergingen fast hundert Jahre bis zur Einstellung der Aufnahme von Mitgliedern im Jahr 1870. In diesem Zeitraum wurde keine Frau mehr als wirkliches Mitglied der Akademie der bildenden Künste Wien aufgenommen.
Den weiblichen Ehrenmitgliedern wird in dieser Reihe ein eigener Beitrag gewidmet. So viel sei vorausgeschickt: Erstes weibliches Ehrenmitglied nach 1836 wurde die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky im Jahr … 1994.
Ulrike Hirhager, stv. Leiterin des Universitätsarchivs der Akademie der bildenden Künste Wien
Fußnoten:
1 Vgl. dazu und zum Folgenden Walter Cerny, die Mitglieder der Wiener Akademie, Wien 1978, sowie Angelika Plank, Akademischer und schulischer Elementarzeichenunterricht im 18. Jahrhundert, Frankfurt/Main–Berlin–Bern–New York–Paris–Wien 1999 (= Beiträge zur Neueren Geschichte Österreichs Bd. 10) (zugl. Wien Univ. Diss. 1997), S. 94ff.
2 Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien (= UAAbkW), Statut 1726, MSZ II/3, fol. 160/168–174 ex VA 1735, hier fol. 169v.
3 UAAbkW, Statut 1751, MSZ II/3, fol. 91–99 ex VA 1751, hier fol. 92v.
4 UAAbkW, Satzungen für die in Wien errichtete freye kaiserl.königl. Kupferstecher-Akademie, Paragraph Decimo.
5 UAAbkW, Statuten 1800, 1812, MSZ II/3.
6 UAAbkW, Statuten 1800, MSZ II/3, Paragraph XXVI.
7 Bedingt durch die Einführung des Hochschulstatuts 1872, Cerny, Kunstmitglieder, S. 9.
8 Vergleichbar der Gewerbesteuer.
9 Zum Begriff der Hantierung im Sinne von Gewerbe, Handwerk vgl. das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Onlineversion, http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&lemid=GH02548 , s.v. Hantierung.
10 Details dazu bei Cerny, Kunstmitglieder, S. 10ff.
11 Plank, Elementarzeichenunterricht, S. 81f.; Monika Knofler weist in „Das visuelle Gedächtnis der Akademie der bildenden Künste Wien“, unpubliziertes Manuskript (ich danke für die Zurverfügungstellung), ebenfalls auf dieses Promemoria Schmuzers hin: „ Alle nacht nach der Akademie wird zwey stunden bey mir gezeichnet, nach Allem Alter von Kindern an, Mans und Weibs bilter verstehet sich Köpf Hände und Kleidungen / in dise meine Ackademie kann gehen wer lust hat, seine aufürung aber mus mit meiner lehre über eins stimen / hier lehret man Erfinden Cropieren, und mit leichter arth, geschmach und Efect außdruken.“ UAAbKW VA 2a/Mappe 2, fol. 19–22, fol. 21v. Fast gleichlautend das Promemoria an die Kaiserin: „[…] so wünsche ich in Wien, […] eine Schule zu eröffnen, welche einem jeden, deßen Aufführung untadelhaft ist, zu besuchen erlaubt seyn soll. Hier wird alle Tage nach Endigung der kais. Königl Akademie zwey Stunden gezeichnet werden. Hier will ich den Schülern Modelle von jedem Alter und von beyden Geschlechtern stellen; sie zum Erfinden und Gruppiren anführen, und ihnen endlich durch eine leichte Lehrart zeigen Geschmack und Effect in ihre Arbeiten zu bringen.“ UAAbKW VA 2a/Mappe 2, fol. 1–3, hier fol. 1v. Im selben Promemoria schlägt er auch pikanterweise vor (fol. 3v), aus Kostengründen männliche und weibliche Zuchthäusler sowie Personen aus dem Armeleutekotter als Modelle zu verwenden.
12 Wahlbuch, S. 120. Walter Wagner, Geschichte der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien 1967, S. 423, gibt als Aufnahmejahr 1776 an; dafür lassen sich keine Belege finden. 1776 überreichte Anna Dorothea Therbusch allerdings ein Gemälde an den Kaiser, UAAbKW, VA 1776, fol. 101/102.
13 Börsch-Supan, Helmut, „Lisiewska, Anna Dorothea“, in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 684–685, https://www.deutsche-biographie.de/pnd122269071.html#ndbcontent . Ich danke MMag. René Schober und Mag. Claudia Koch für die Zurverfügungstellung der Abbildungen aus den Beständen von Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien.
14 UAAbkW, VA 2a/Mappe 2, fol. 76/77 ex 1769. Lt. Wahlbuch, S. 119, wurde Frau Conte 1768 Mitglied. Vgl. Cerny, Kunstmitglieder, S. 38. https://en.wikipedia.org/wiki/Marguerite_Lecomte. Dank für den Hinweis an die Accademia Nazionale di Belle Arti di Parma.
15 UAAbKW, VA 2a/Mappe 2, fol. 152/153 ex 1771; UAAbKW VA 1818 fol. 69–81, hier fol. 73v. Das Wahlbuch (S. 120) führt für 1771 „Mademoiselle Coulet“ an; „Fräulein Bertrand“ ist hier in späterer Handschrift ergänzt, und es ist anzunehmen, dass es sich bei „Baron Ballischi“ um eine verballhornte Baronesse Pélichy handelt. Vgl. zum Folgenden: Monika Knofler: Das fortschrittliche 18. Jahrhundert – Maria Theresias Vorbildfunktion für Künstlerinnen, in: Carte blanche für Anna Reisenbichler. I work too much, work too little. Hg. v. Wolfgang Cortjaens und Julia M. Nauhaus. Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien 2019, S. 17–34; Anton Weinkopf’s Beschreibung der k.k. Akademie der bildenden Künste in Wien. 1783 und 1790, Wien 1875, S. 11.
16 https://de.wikisource.org/wiki/BLK%C3%96:Beyer,_Gabriele.
17 Weinkopf führt Pélichy fälschlich als Ehrenmitglied an, Weinkopf, Beschreibung, S. 8, 70. Plank, Elementarzeichenunterricht, S. 97, weist auf diesen Irrtum hin. Cerny, Kunstmitglieder, erwähnt sie nicht.
18 Sabine Plakolm-Forsthuber, Künstlerinnen in Österreich 1897–1938. Malerei – Plastik – Architektur. Wien 1994, S. 24. Siehe auch die Ausstellungskataloge in der Universitätsbibliothek der Akademie der bildenden Künste Wien.
19 Catalogue des ouvrages de peinture, sculpture, et gravure exécutes par des membres de l’Academie Imp. et Royal. des Beaux-Arts ; exposes dans le sallon destiné a cet effet, Wien 1777, Mehrfachnennung „Madame Beyer“ : fol. 2 (1x) , 3 (7x), 4 (5x).
20 Siehe dazu die Kartei zu den Kunstausstellungen im UAAbKW, Findmittel. Siehe auch Plank, Elementarzeichenunterricht, S. 272.
21 „Madam Gabriele Beyerinn, geb. von Bertrand, Mitgliede der Akademie“, Verzeichnis der von der k.k. Akademie bildender Künste aufgestellten Kunstwerke. Wien 1786, Modellsaal, Nr. 29, Porträt der Mademoiselle von Greiner.
22 Zum Beispiel ebda., Antikenzimmer, Nr. 21, Kopf eines alten Mannes (nach dem Vorbild ihres Vaters).
23 AKL, Krafft, Barbara, Artikel aus Thieme-Becker und Artikel aus Lexikon der Künstlerinnen, https://db.degruyter.com/view/AKL/_00102630?rskey=7zabtv&result=11&dbq_0=%22Krafft%22&dbf_0=akl-name&dbt_0=name&o_0=AND . Margarete Poch-Kalous, Die Frauen an der Akademie der bildenden Künste in Wien, in: Akademie der bildenden Künste in Wien 1872–1972, Wien 1972, S. 204; vgl. Plank, Elementarzeichenunterricht, S. 99 und S. 272. Vgl. Plakolm-Forsthuber, Künstlerinnen in Österreich, S. 24.