Traumbilder eines Grönlandwals
Auf Grönlands Wassern trieb eines Morgens die Frage: Was können Kunst und Literatur in einer erschöpften Welt leisten? Eine poetisch-performative Antwort gibt das gecko art-Duo im Rahmen der Veranstaltungsreihe Wer A… sagt der A…kademiebibliothek.
In seiner Lese-Performance umkreist das Kunstduo gecko art – Evelyn Blumenau und Walter Kreuz – ein Wesen namens Kedube, eine fiktive Unterart des Grönlandwals. Wie andere Meeressäugetiere kann auch Kedube im Halbhirnschlaf durch das Wasser treiben und – so will es die Geschichte – Traumbilder erzeugen. Die Performance ist eine Einladung zum Mitträumen einer künstlerisch-konstruktiven Zukunft der Spezies Mensch.
Man könnte die Bilder, die dem Wal im Schlaf erscheinen, etwas prosaisch als Konzepte für partizipative Kunstprojekte bezeichnen, aus denen Module von gecko art-Projekten der letzten dreißig Jahre wiederholt zur Anwendung gekommen waren und bei Teilnehmenden oftmals ein künstlerisches Wummern erzeugt bzw. verstärkt hatten.
Aus diesem Grunde beginnt und schließt die performative Erzählung mit einem grenzenlosen schöpferischen Wummern als Angebot, von eigener ästhetischer Wahrnehmung und künstlerischer Reflexion Gebrauch zu machen. Das kann beispielsweise ein Einstieg in die permanente Beschreibung der Welt sein (Traumbild eins) – oder ein Festival, in dem der Mensch mit all seinen Schwächen gefeiert und Schluss mit ‚Schöner Welt‘ gemacht wird (Traumbild zwei) – oder ‚Wie leben‘ als Frage nach dem richtigen (und nicht nach dem gutem) Leben (Traumbild fünf).
Beinahe von selbst ergibt sich daraus die Forderung nach Suffizienz, nach dem Notwendigen, dem gerademal Ausreichenden. Der Text beschreibt Kedube, wie sie in leichtem Spiel mit den Begriffen Suffizienz und Zukunft jongliert. Für das gecko art-Team stellt sich letztlich in die Frage: Was können Kunst und Literatur in einer erschöpften Welt leisten?
Freilich, eine Lese-Performance ist als Antwort kaum ausreichend. Dies stand bereits nach Fertigstellung des Basistextes fest. Es fehlte das haptische Element. So wurde der Traumbilder-Text mit Tinte auf leicht gewelltes Papier geschrieben, ein Vorhaben, das 86 Seiten ergeben hatte, die zusammen mit Illustrationen zu einem Buch genäht und gebunden wurden. Dieses Unikat mit dem Titel Codex Kedube begleitet die Performance und lädt zum geräuschvollen (!) Blättern und Lesen ein.
Evelyn Blumenau, geboren 1963, lebt und arbeitet in Wien. Sie ist Schauspielerin, Autorin, Komponistin und Vokalistin sowie Mitbegründerin der Kunstgruppe gecko art, wirkt als Akteurin in und Autorin von Theaterstücken und Hörspielen im Rahmen zahlreicher Straßenkunstprojekte sowie Audioausstellungen. Mit der Musikgruppe NoviSad hat sie 11 Tonträger veröffentlicht (u. a. die Doppel-CD Rise bei Extraplatte, die Doppel-LP Wunderschönes Tier/Best Of bei Schallter / monkey.). Konzerttourneen führten sie u. a. in die USA, das Vereinigte Königreich und nach Georgien. Sie ist in Kunstprojekten und Audiofeatures als Leseperformerin und Sprecherin zu hören. Ihre literarischen Stücke umkreisen die Kuriositäten des Alltags und manch Zwischenräume der äußeren und inneren Wahrnehmung.
Walter Kreuz, geboren 1958, lebt und arbeitet in Wien. Er ist Schauspieler und Mitbegrüünder der Kunstgruppe gecko art. Er spielte u. a. in Stücken von Frisch, Dürrenmatt oder Shakespeare. Als Outdoor-Performer konzipierte, baute und bewegte er Riesenmarionetten und Hörobjekte durch europäische Städte. In seinen literarischen Veröffentlichungen (u. a. Karlas Lauf gegen die Raumzeit, edition roesner 2008, Sekundenbruch auf Straße 4, edition splitter 2018) lotet er stets Wechselwirkungen zwischen Sprache und Zeit aus.
Für gecko art-Audioprojekte und Radiofeatures erhielten Evelyn Blumenau und Walter Kreuz zahlreiche, auch internationale Auszeichnungen.
https://www.geckoart.at/traumbilder-eines-groenlandwals/