Jasmin Hagendorfer
Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Akademie Studio Programm, Creative Cluster, 7. Mai 2024.
Du vereinst als bildende Künstlerin, Autorin und Festivalorganisatorin verschiedene Handlungsfelder. Was ist das verbindende Element und was ist dir in deiner Arbeit wichtig?
Genau, ich vereine ganz verschiedene unterschiedliche Wege in meinem Kunst- und Kulturschaffen. Zum einen verantworte ich als Festivalleitung das Porn Film Festival Vienna, ein Filmfestival, das für alternative Blickweisen auf ein sehr mainstreamig besetztes Thema steht. Zum anderen kuratiere ich Ausstellungen als freie Kuratorin, immer wieder auch im Rahmen des Porn Film Festivals, zu sehr unterschiedlichen Themen, immer aber mit einem politischen, aktivistischen, queer-feministischen Blick. Und zu guter Letzt bin ich als freischaffende Künstlerin im Bereich Performance unterwegs. Während des ersten Pandemiejahres, in dem ich meinen Abschluss an der Akademie bei Ashley Hans Scheirl gemacht habe, bin ich ins Filme-machen hineingestolpert und habe mit Fudliaks! Zerfetzt die Geschlechter eine filmische Arbeit als Diplomprojekt abgegeben. Seither konzentriere ich mich aufs Film-machen, 2023 habe ich etwa meinen Kurzfilm Musings of a Mechatronic Mistress fertiggestellt, und in letzter Zeit schreibe ich auch sehr viel.
Wie angesprochen leitest du das Porn Film Festival Vienna und kuratierst Beiträge im Rahmen des Arse Elektronika Festivals. Worauf legst du beim Festival selbst und in deiner Kuratierung wert?
Gegründet haben wir das Porn Film Festival Festival 2018 mit dem Gedanken, das Tabu und die Scham, mit denen Pornografie behaftet ist, zu brechen. Obwohl Pornografie tief in der Gesellschaft verankert ist – etwa 45 % des gesamten Internet-Traffics sind immer noch pornografisch, es gibt fast keine Filme im TV ohne eine obligatorische Sexszene und in Magazinen sind immer halbnackte, meistens Frauenkörper abgebildet – wird kaum darüber geredet. Unsere Motivation war es, mit dem Festival einen offenen Raum für Diskussion und Reflexion zu schaffen und zu zeigen, dass es abseits des meist binär gedachten Mainstreams auch alternative, feministische und queer-feministische Produktionen gibt. In meiner Kuratierung lege ich Wert darauf, sowohl High-End-Produktionen auszuwählen als auch DIY-Indie-Arbeiten. Mein erster Anspruch ist, eine gute Mischung zu machen. Wir wollen eine positive Botschaft vermitteln, Body Positivity fördern und eine Reflexion zu diesem Thema anstoßen. Wir sind sehr offen und transparent gegenüber Sexarbeit, weil im Porno ja auch Sexarbeit stattfindet. Wir wollen feministische Themen anstoßen und andere Blickweisen auf Lust fördern. Mir ist wichtig, dass das Programm mehr von der Gesellschaft abbildet als es in der Pornografie normalerweise üblich ist.
Das heißt, es wird Wert auf einen politisch-edukativen Aspekt gelegt?
Ja, das Porn Film Festival Vienna sieht sich diesem aufklärerischen Gedanken verpflichtet, auch deswegen, da bereits sehr junge Menschen mit diesem Genre in Berührung kommen. Ich denke, dass es unsere Aufgabe als Festival ist, aufzuklären, was es an Alternativen gibt, was man sich abseits des Male Gaze ansehen kann. Wir haben in der Vergangenheit auch bereits mit Sexualpädagog_innen und mit Schulen zusammengearbeitet. Ich denke, dass sogar Erwachsene so etwas wie eine zweite Aufklärung erfahren und verstehen lernen können, dass Pornografie ein Konsum ist. Ich achte beim Einkauf ja auch auf Bio oder kaufe mir meine Kleidung ethisch fair hergestellt – wieso achte ich dann beim Konsum von Pornografie nicht auch darauf, was ich mir da gerade reinziehe und mit welchen Bedürfnissen ich mir das überhaupt ansehe? Deswegen zeigen wir beim Festival auch nicht nur Filme, sondern veranstalten ein ganzes Programm an Workshops, Lesungen und akademischen Panels. In der letzten Ausgabe haben zum Beispiel gemeinsam mit der ÖH der Akademie im Atelierhaus eine Ausstellung organisiert. Unser Fokus liegt darauf, alles, was mit Sexualität, Identität, Körper und Politik zu tun hat, durch eine pornografische Linse zu betrachten.
Du hast eingangs deine Filmprojekte angesprochen – die Abschlussarbeit Fudliaks! Zerfetzt die Geschlechter und Musings of a Mechatronic Mistress. Worin legst du den Fokus in deinem eigenen Filmschaffen?
Fudliaks! Zerfetzt die Geschlechter war mein allererstes eigenständiges Filmprojekt. Ich denke, dass jeder Mensch generell eine Agenda verfolgt und mir war es wichtig, lustig und humorvoll eine Botschaft rund um die Frage zu vermitteln, wie man eine queere Revolution anzetteln könnte. Das würde ich nämlich gerne erleben. Ich habe mir eine Zukunftsvision ausgedacht, wie das passieren könnte. Im Film werden in einer Art Labor-Setting mehrere Wesen untersucht, bei denen nicht ganz klar ist, ob es sich um eine noch unbekannte Spezies oder vielleicht sogar um Aliens handelt. Diese kleinen Wesen, die Fudliaks, haben nur eine einzige Funktion, nämlich können sie Menschen „verqueeren“. Am Ende passiert das, was in jedem guten Film passiert: alles eskaliert und führt zu einer queeren, lustvollen und auch expliziten Explosion. Musings of a Mechatronic Mistress war ein größeres EU-Projekt, ein Kurz-Dokumentarfilm über Sexroboter. Ich wurde eingeladen, Regie zu führen und der Frage nachzugehen, ob für Sexroboter ethische Richtlinien gebraucht werden und was diese Roboter eigentlich für eine Gesellschaft und im Speziellen für Frauen bedeuten. Weil es ein EU-Projekt war, durfte ich die Crème de la Crème der internationalen Sex-Tech-Experten interviewen, etwa Dr. Katta Spiel, die an der TU Wien zu queerer Sexrobotik forscht, Johannes Grenzfurthner, der neben seiner Mitwirkung im Künstlerkollektiv monochrom auch das Festival Arse Electronika rund um Sex und Technologie veranstaltet, oder Kate Devlin, die Expertin über Sexroboter. Gefilmt wurde aus der Perspektive von Tiffany, der zum Leben erwachten Sexroboterin, die mit den Expert_innen darüber spricht, warum sie so aussieht wie sie aussieht, wer ihre Schöpfer_innen sind, aber auch Fragen zum Thema Datensicherheit und Queerness in der Sex-Technologie stellt.
Deine künstlerische Arbeit besteht naturgemäß häufig aus Kollaborationen, darunter auch mit Offerus Ablinger, der auch einmal Stipendiat im Studio-Programm war. Wie sieht denn diese Zusammenarbeit genau aus?
Offerus Ablinger ist eigentlich Maler, der sich auch der Performance zugewandt hat. Es verbindet uns eine tiefe Freundschaft und ein starker Gedankenaustausch. Körperpolitik und Identität sind die großen Themenschwerpunkte, die uns zusammenhalten. Wir beide haben einen feministischen Blick, es geht viel um Queerness, um das Verorten von queeren Themen in der Gesellschaft und um das Sichtbarmachen für eine Mehrheitsgesellschaft. Gemeinsam haben wir bereits mehrere Performances entwickelt. Aktuell machten wir eine kleine Performancepause, aber so ganz verlieren wir uns nie aus den Augen. Vielmehr sind wir oft Teil der Projekte des anderen, etwa hat Offerus als Art Director in meinen Filmen mitgewirkt oder er gibt mit Feedback zum Skript. Für seine Arbeiten, die sich im Themenkreis Transhumanismus und „Männlichkeits“bilder verorten lassen, bin ich schon öfters Modell gestanden.
Gerade erst bist du aus Berlin zurückgekommen, wo du eine Performance an der Volksbühne gezeigt hast. Was war das für ein Projekt?
An der Volksbühne in Berlin wurde eine Präsentation zu der Publikation Fragile Fäden: Perspektiven auf Beziehungsweisen im Kapitalismus veranstaltet, für die ich während meiner Zeit hier im Studio ein Kapitel verfasst habe. Ich habe zu den ThemenDIY-Filme und DIY-Pornografie geschrieben und versucht zu skizzieren, was darunter zu verstehen ist, worin Vorteile liegen, wie man auch in einer antikapitalistischen Art und Weise Filme machen kann, etwa wenn es nicht riesige Fördergelder gibt, sowie über temporäre autonome Zonen als Ort des Schaffens und der Gegenkultur. Die Buchpräsentation hatte performativen Charakter. Es war ein großer Mischmasch an kurzen Vorträgen, Performances und Lesungen zu den Themen Beziehungsweisen in Hinblick auf den Kapitalismus, Klimakrise, Männlichkeitsbilder, Hypermasculinity oder Fettphobie. In meinem Text ging es darum, wie sich diese Themen im pornografischen Filmschaffen zeigen. Basierend auf den Texten im Buch habe ich eine Performance mit dem Titel Fuck Yeah! Erstes Manifest der Pornösität gemacht. Ausgehend von meinem Text in der Publikation, aber auch von dem TEDX-Talk „How good porn can save the planet“, den ich einmal über Pornografie, Sexualität und Nachhaltigkeit gehalten habe, ging es in der Performance um eine Guerilla-Partei für bessere Pornösität auf dem Planeten, die ihr erstes Manifest verliest. Darin erzähle ich auf sehr humorvolle, leicht militant angehauchte Art und Weise, was es bedeutet, ethischen, fairen Porno zu machen. Warum man darüber nachdenken muss? Weil Porno genauso wie andere Filme auch Arbeit ist, bei der Arbeitsbedingungen beachtet werden und alle gut und fair entlohnt werden müssen. Zudem stellt sich ja auch die Frage, woher das Material überhaupt herkommt, was mit ihm passiert, wie darüber Transparenz hergestellt werden und wie man diesbezüglich mehr aufeinander Acht geben kann.
Wie man merkt, warst du im letzten Jahr sehr beschäftigt. Was kommt als Nächstes?
Musings of a Mechatronic Mistress war sozusagen mein Lehrstück für das Projekt, an dem ich aktuell gerade arbeite, meinem ersten Lang-Dokumentarfilm Existential Detective. Er handelt von dem queeren Aktivisten aus Athen Menelas Siafakas, der dort das Porn Film Festival leitet, gleichzeitig schwule Porno-Alternativen macht und damit erst die zweite Person in ganz Griechenland ist, die überhaupt Schwulenpornos dreht. Als wir uns das erste Mal darüber unterhalten haben, fand ich das sehr eigenartig für ein Land, dessen Geschichte für mich so homoerotisch aufgeladen ist. Aber ich glaube, Griechenland ist eine noch immer sehr konservative Gesellschaft, die sehr von Religion und von Moral geprägt ist, zudem haben die Wirtschafts- und die Flüchtlingskrise enorme Spuren hinterlassen. Deswegen ist sein Aktivismus dort wirklich notwendig. Über das unterhalten wir uns. Pornografie ist ja eigentlich meist nur ein Ventil, über das sich viele anderen Themen aufmachen, sie ist immer auch ein Abbild einer Gesellschaft. Pornos sind politisch, Körper sind politisch und anhand dessen kann man sehen, was gerade in einer Gesellschaft passiert. Es sind bereits erste Recherche-Drehs entstanden, aktuell geht es aber eher darum zu überlegen, wie ich die Idee zu einem wirklichen Dokumentarfilm umsetzen kann, der dann auch noch 90 Minuten füllt. Es macht gerade richtig Spaß, in dieses Projekt einzutauchen und ihm eine künstlerisch wertvolle Ästhetik zu geben.