Alexandru Cosarca
Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Akademie Studio Programm, Creative Cluster, 13. Mai 2024.
Du hast bei Ashley Hans Scheirl studiert, bist bildender Künstler und Performer. Worin liegt dein künstlerischer Fokus?
Ich arbeite zwischen bildender und performativer bzw. darstellender Kunst. Zum einen liegt mein Fokus auf Performance, aber auch auf Veranstaltungen und dem Sichtbarmachen von Community bzw. dem Community Building. Eines meiner wichtigsten Projekte ist WERISTdICHTER?, ein Format, das unterschiedliche Medien und Formen wie Lesungen, Performances, Livemusik und bildende Kunst vereint.
In deiner performativen Arbeit setzt du dich unter anderem mit Geschlechterrollen, Queerness und mit Körpererweiterungen auseinander. Eine sehr schöne Arbeit dazu finde ich Happymetal, die 2022 im Rahmen von Queering the KHM gezeigt worden ist, und bei der du eine Rüstung einer Neudefinition unterzogen hast. Was kannst du über dieses Projekt erzählen?
Das war ein sehr schweres Projekt, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Rüstung ist entstanden in Zusammenarbeit mit Florin Curic auf Einladung des Kunsthistorischen Museums. Zu dieser Zeit war dort die Sonderausstellung Iron Man – Mode in Stahl zu sehen und ich war fasziniert von den ganzen Rüstungen, die präsentiert waren. Das gab mir den Impuls, die Frage zu stellen: Wen oder was muss ich beschützen? Muss ich mich selber schützen? Gerade in Zeiten des Ukrainekriegs und überhaupt der weltpolitischen Situation finde ich diese Fragen relevant. Meine Rüstung hat einen queerfeministischen Bezug: ihre Form ist ein silbernes Minikleid mit einem Helm mit überdimensionalem Kopfschmuck und High Heels aus Metall. Außerdem waren meine Fingernägel rot lackiert. In der Performance bin ich durch die Räumlichkeiten des Kunsthistorischen Museums gegangen und habe Zeilen aus einem von mir geschrieben Textes vorgetragen, genauer die Passage I have to fight for my Gayrechtigkeit, I have to protect my Spiegelbild! How can I protect happiness without being evil? Musikalisch getragen wurde die Performance von Anna Dian, die kleine Sound-Pieces dafür entworfen hat. Auf der Rückseite der Rüstung war eine Box mit Lautsprechern angebracht, aus der einerseits der Sound von Anna Dian gekommen ist, aber auch Gedichte und Texte sowie kurze Gespräche zwischen Florin Curic und mir zu hören waren. Die Performance ist zwei Mal gezeigt worden und es war sehr spannend, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung in High Heels mit dem Helm, mit dem ich nicht gut sehen konnte, sowie dem Kopfschmuck die Rüstung zu tragen.
Du arbeitest, zumindest in deinen performativen Arbeiten, hauptsächlich kollektiv –WERISTdICHTER? hast du schon angesprochen, ContextCocktail ist ebenfalls ein Format, das du gegründet hast. Wie sind diese Kollektive ausgerichtet und inwiefern gibt es einen Unterschied zu deinen eigenen performativen Stücken?
ContextCocktail und WERISTdICHTER? sind 2017 gleichzeitig im Rahmen des Rundgangs entstanden, als ich mit Annemarie Arzberger einen Abend mit dem Titel ContextCocktail: WERISTdICHTER? veranstaltet habe. WERISTdICHTER? hat sich schließlich verselbstständigt, weil es mehr Anklang gefunden hat und schnell viele Performance-Abende entstanden sind. ContextCocktail ist derzeit ein als Verein strukturiertes Kollektiv, bestehend aus Sarah Tasha Hauber, Annemarie Arzberger und mir. Im Vergleich zu WERISTdICHTER? werden bei ContextCocktail eher Ausstellungen organisiert und der Fokus liegt mehr auf Bildender Kunst, während der Schwerpunkt bei WERISTdICHTER? auf Literatur und Performance liegt. In meiner eigenen kollektiven Arbeit konzentriere ich mich meist auf Theaterproduktionen und Poetry-Performances. Ich liebe das kollektive Arbeiten. Als mich Ashley Hans Scheirl an der Akademie aufgenommen hat, habe ich die Möglichkeit genutzt, viele andere Studierende kennenzulernen und mich auszutauschen – das finde ich einfach schön und bereichernd. Diese Möglichkeit zur Vernetzung finde ich auch hier im Creative Cluster so wertvoll. Jasmin Hagendorfer, mit der ich studiert habe und mit der ich mir während des Studio-Programms ein Atelier teile, habe ich etwa eingeladen, bei der nächsten Ausgabe von WERISTdICHTER? eine performative Lesung zu veranstalten.
Du hast vorhin Theaterproduktionen angesprochen: Erst im April dieses Jahres ist im WUK Natalie Assmanns Stück Lonely for You. Die Super Show erstaufgeführt worden, bei der du als Host "Dru" durch die Show geführt hast. Sind die Persona hier zu trennen?
Eindeutig! Der riesengroße Unterschied ist: Wenn ich WERISTdICHTER? moderiere, spreche ich nicht, sondern ich verwende einen schwarzen Block, auf dem alle Texte, die Begrüßung und die Namen der Künstler_innen mit Gaffaband geschrieben sind. In Lonely for You verkörpere ich einen gescheiterten Ex-Viva-Moderator, der Viva Mitte der Nullerjahre verlassen hat und nun seine große Comeback-Show inszeniert. Es war eine unglaubliche Herausforderung für mich, weil ich noch nie so viel Text lernen musste und auch noch nie geschauspielert habe. Aber ich habe extrem viel gelernt. Dadurch, dass Natalie Assmann vom klassischen Theater kommt, habe ich einen Crashkurs in Schauspielerei erfahren, auch in der Hinsicht, wie man mit dem Text arbeitet. Das Stück behandelt das Thema Einsamkeit, was nach Zeiten der Pandemie und der Lockdowns noch präsenter geworden ist und sehr viele Menschen betrifft. Es gibt ja ganz viele Formen von Einsamkeit – Einsamkeit im Kontext von sexueller Orientierung, von Armut, durch Krankheit, durchs Queersein, im Alter – ich könnte jetzt noch lange weiter aufzählen. Aber wir haben versucht, eine gewisse Leichtigkeit und einen Humor hineinzubringen, weil das Thema doch eine Schwere hat.
Weil du den Humor erwähnst: deine Arbeiten wirken für mich oft sehr humorvoll, ist dieser Aspekt grundsätzlich ein wichtiger für dich?
Das ist gar nicht so gezielt gewollt, ich plane nicht diesen Humor nach außen zu transportieren. Ich glaube, ich bin einfach eine schrullige Person! Ich selbst konsumiere auch gerne Kunst, die lustig ist. Ich glaube, dass Humor vieles aufmachen kann, mit ihm lassen sich ernste, schwere Themen ansprechen und es lockert das Ganze auf, wenn man politische Inhalte transportieren will. Ich muss aber auch sagen, dass ich die Haltung, dass es okay ist, in seiner Arbeit lustig zu sein, von Ashley Hans Scheirl übernommen habe.
Ein weiteres größeres Projekt, an dem du als Performer mitgewirkt hast, ist das Stück Manifestations von Marta Navaridas, das im Februar 2024 im Tanzquartier erstaufgeführt wurde. Was kannst du über das Projekt erzählen?
Manifestations war eine der schönsten Kollaborationen, die ich je hatte. Marta Navidaras hat Regie geführt und die Choreografie konzipiert. Alex Franz Zehetbauer, Julia Franz Richter, Beatrice Frey, Alice Peterhans, Alex Deutinger und ich haben performt. Wir wurden im Vorfeld der Aufführung mit Mikrofonen ausgestattet und gewissen Situationen und Erfahrungen ausgesetzt, etwa haben wir einen Ausflug in die Kanalisation Wiens gemacht, haben mit verbundenen Augen an Dingen gerochen, sind im Prater mit der Achterbahn gefahren oder waren im Kunsthistorischen Museum. Alle diese unsere Eindrücke wurden aufgenommen und von Marta gemeinsam mit Manuel Rieger geschnitten. Im Stückhaben wir Performer_innen einzelne Fetzen dieser Erfahrungen über einen in-ear-Kopfhörer zugespielt bekommen und haben diese wiedergegeben. Als wir im Prater mit der Achterbahn gefahren sind, habe ich zum Beispiel in panischer Angst sehr laut geschrien. Im Stück gibt es diesen Moment, wo wir alle in einer Reihe sitzen und in Richtung Publikum schauen, mir dieser Schrei ins Ohr gespielt wird und ich die Situation und die vorher spontane Äußerung nachstelle. In diesem veränderten Kontext entstehen komplett neue Bilder und Komik, denn das Publikum sieht die nachgespielten Reaktionen, weiß aber nicht, wodurch und weshalb sie entstanden sind. Das Bühnenbild ist zudem gespiegelt: Wir Performer_innen bewegen uns in einem komplett leeren Raum zwischen den Stühlen auf der Seite, auf der sich normalerweise die Theaterbesucher_innen befinden, während das Publikum auf der Bühne sitzt. Es ist ein unglaublich tolles Stück geworden. Ende Dezember wird es noch einmal im Tanzquartier Wien gezeigt.
In deinem Studio hängen zahlreiche Kleidungsstücke an einem Ständer. Was hat es damit auf sich?
Ja, ich arbeite auch mit der Herstellung von Kostümen, hauptsächlich für WERISTdICHTER?. An dem Sakko, das ich gerade trage, sind über 200 Broschen angebracht, die meine Mutter auf Flohmärkten gekauft hat. Mir ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Ich möchte nicht etwas Neues, sondern Kleidung lieber gebraucht kaufen und sie zu einem eigenständigen Kunstwerk weiterverarbeiten. Ein zweiteiliger Leinenanzug zeigt zum Beispiel alle Namen der teilnehmenden Künstler_innen der damaligen Ausgabe von WERISTdICHTER?, einen anderen habe ich für die Edition von WERISTdICHTER? in der Kunsthalle mit dem Gaffaband bearbeitet, mit dem ich auch immer meinen Block beklebe. Manchmal entstehen auch Kollaborationen mit anderen Kollektiven und Modemacher_innen, zum Beispiel mit Hybrid Dessous, die hier im Creative Cluster auch ihr Atelier haben.
Daneben umfasst dein künstlerisches Schaffen auch fotografische Arbeiten.
Genau, eine Serie umfasst Fotografien aus dem öffentlichen Raum, etwa suche und fotografiere ich Schriftzüge auf Hausfassaden und drucke sie manuell auf Fließen. Die Serie I Wish I Woof Woof zeigt Hunde, die vor dem Supermarkt warten, in Vintage-Bilderrahmen. Wieder eine andere Arbeit hat den Titel Auto-Magic-Kauen. Sie besteht einerseits aus Abbildungen von Kaugummiautomaten, andererseits auch aus einem performativen Element: die Besucher_innen waren eingeladen, mit mir Kaugummi zu kauen, währenddessen ich die Historie der Kaugummiautomaten erzähle – woher sie kommen, wann sie hergestellt wurden. Sobald die Kaugummis fertig gekaut sind, fordere ich sie zurück und verwende sie als Klebematerial für eine Collage an Fotos der Automaten.
Welche Projekte stehen in der nächsten Zeit an?
Ich versuche gerade, ein bisschen auf mich aufzupassen und tatsächlich nicht zu viel zu arbeiten. Dennoch steht viel an: Auf was ich mich freue, ist eine Ausstellung in der Galerie 3 in der Schleifmühlgasse 3 und ein Workshop mit dem Titel Wer ist Workshop?, der in Zusammenarbeit mit dem Queer Museum bei der Tangente St. Pölten gezeigt werden wird. Im Herbst findet mit ContextCocktail eine Ausstellung in der Puul Space Gallery statt sowie die 30. Ausgabe von WERISTdICHTER?, die mit einer Ausstellung einhergehen wird. Im Fortuna Kino im zehnten Bezirk wird es einen Film-Screening-Abend geben und in der Bar im Kosmos Theater an drei Tagen ein WERISTdICHTER?-live.
Vielen Dank! Ich bin soweit durch mit meinen Fragen. Möchtest du noch etwas anfügen?
Ja, ich würde gerne Danke sagen, dass die Akademie der bildenden Künste das Studio-Programm möglich macht. Es ist großartig, dass man für eine so lange Zeit kostenlos ein Studio nutzen kann. Zudem bieten die Räumlichkeiten hier im Creative Cluster einfach eine tolle Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen. Vielen Dank also für das Stipendium!