Die Akademie ist zurück am Schillerplatz!
Die Akademie der bildenden Künste Wien ist nach umfassender Sanierung und Modernisierung an den Schillerplatz zurückgekehrt. Eröffnet wird sie am 8. Oktober um 19 Uhr mit gleich vier Ausstellungen. Am Eröffnungswochenende am 9. und 10. Oktober finden bei freiem Eintritt in allen Ausstellungen jeweils von 10 bis 18 Uhr Führungen und Künstler_innengespräche statt. Gefeiert wird auch der Beginn des Wintersemesters 2021/22, das unter Einhaltung der Corona-Sicherheitsmaßnahmen und Abstandsregeln in Präsenz starten wird.
Während die Ateliers und Büros bezogen sind, der Unterricht begonnen hat und die Bibliothek und das Universitätsarchiv wieder geöffnet haben, sind auch zahlreiche der besonderen Schätze aus den historischen Sammlungen wieder an den Schillerplatz zurückgekehrt.
Die Bestände der historischen Kunstsammlungen der Akademie gehören zu den wichtigsten des Landes und beinhalten zum Beispiel das berühmte Weltgerichtstriptychon (um 1450 – 1516) von Hieronymus Bosch aus der Gemäldegalerie, das Bildnis eines 18-jährigen Jünglings (1503) von Albrecht Dürer aus dem Kupferstichkabinett, oder kunstvolle Abgüsse von Skulpturen wie Michaelangelos Pietá (um 1499) in der Glyptothek.
Rektor Johan F. Hartle betont:„ Wir sind natürlich sehr stolz und dankbar, eine Sammlung dieser Qualität der Öffentlichkeit präsentieren zu dürfen. Das ist ein internationales Alleinstellungsmerkmal der Akademie: mitten in einer der wichtigsten Ausstellungsmeilen der Welt eine Sammlung dieses Kalibers in den Zusammenhang mit Lehre und zeitgenössischer Kunstproduktion zu stellen, das gibt es nicht noch einmal. Das ist uns wichtig: Wir möchten uns von diesen einzigartigen Meisterwerken nicht nur beeindrucken und inspirieren lassen, sondern die Fülle der Sammlungen so nutzen, wie sie urspründlich vorgesehen war: als Lehrobjekte für die Studierenden und – noch wichtiger – als Ausgangspunkt für kultur- und gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen.“
In diesem Sinne wird auch die designierte Direktorin der Kunstsammlungen, Sabine Folie, ab Jänner 2022 das Programm der Sammlungen ausrichten und ihr Profil schärfen: „ Die Kunstsammlungen sollen vor dem Hintergrund gegenwärtiger Sehgewohnheiten und Erfahrungen als Konversation zwischen historisch Gewordenem und zeitgenössischer Kunst neu gelesen und produktiv gemacht werden können. Gleichzeitig bietet die Akademie als Forschungsinstitution auch den Rahmen, die „Gemäldegalerie“ als Dispositiv aus einer museologischen Perspektive experimentell und zeitgemäß zu reflektieren.“
Eine Einladung zum epistemischen Ungehorsam spricht das indische Künstler_innen- und Kurator_innentrio Raqs Media Collective aus. In der großen Eröffnungsausstellung Hungry for Time. Eine Einladung zu epistemischem Ungehorsam mit Raqs Media Collective, in den Kunstsammlungen der Akademie der bildenden Künste Wien in der Gemäldegalerie werden nationale wie internationale zeitgenössische Positionen den historischen Beständen gegenübergestellt. Unter Einbeziehung des aktuellen Dekolonialismus-Diskurses in der Kunst und den Kulturwissenschaften und basierend auf der Expertise des Hauses eröffnet die Ausstellung die Möglichkeit der Neubetrachtung der drei Sammlungen aus einer externen Perspektive. Der „epistemische Ungehorsam“, zu dem die Akademie gemeinsam mit Raqs Media Collective einlädt, ist eine Aufforderung sich der blinden Flecken im Blick auf die Geschichte bewusst zu werden. Das historische Wissen, das in den Sammlungen zu finden ist, ist nach tradierten Strukturen geordnet. Mit neuen Perspektiven darauf werden diese Strukturen sichtbar gemacht und aufgerüttelt.
„In Wien steht die älteste noch aktive Kunsthochschule Mitteleuropas vor einem Neubeginn, und wir befinden uns im Herzen dieses Aufbruchs in der Caldera der Geschichte, gestreift von Gegenwart und Zukunft, kuratieren wir Hungry for Time. Die Begegnungen und Konfrontationen, die wir zwischen den Sammlungen der Akademie und der zeitgenössischen Kunst inszenieren, entwirren Verbindungen, legen Verwerfungen offen, regen zu Eruptionen an. Jahrhunderte werden durcheinander gewirbelt, Längengrade tanzen, und wir genießen das Fest, aber auch das Chaos" , so das Raqs Media Collective .
In der Dialogausstellung zu Hungry for Time in der nebenan gelegenen wiedereröffneten Exhibit Galerie richten Studierende der Akademie unter dem Titel Thicket of Ideas – Thicket of Times ihre Blicke auf die historischen Arbeiten der Sammlungen des Hauses. Sie hinterfragen einem dekolonialen Bestreben folgend unser chronologisch-lineares Verständnis von Zeit und damit auch die Konstruktion von (Kunst-)Geschichte und die Bedingungen von Geschichtsschreibung.
Im Exhibit Studio , ebenfalls am Schillerplatz verortet, erinnert die Ausstellung Un Paradiso Amaro / Bitter Paradise an das Vergessen der jüdischen Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries. Um 1900 schon international bekannt und erfolgreich, musste sie 1942 vor den Nationalsozialisten in die Schweiz fliehen. Zu sehen sind eine Skulptur sowie Exponate aus dem Nachlass der Künstlerin sowie Arbeiten von Absolvent_innen der Akademie, die Ries’ Leben zum Ausgansgpunkt haben.
Das Exhibit Eschenbachgasse in der Eschenbachgasse 11 zeigt zur Eröffnung die Ausstellung The Poiesis of Composting . Sie legt den Fokus auf die Gesten des „Kompostierens“ und stellt künstlerische Positionen vor, die das „bereits Vorhandene“ überdenken.
Die anlässlich der Wiedereröffnung präsentierten Ausstellungen sind Ausdruck eines Verständnisses von Ausstellen als künstlerischem Handlungsfeld. Exemplarisch stehen sie für die Richtung, in die sich das zeitgenössische Ausstellungswesen der Akademie auch in Zukunft entwickeln wird. Das ist einerseits eine stärkere Verknüpfung von universitärer Ausstellungspraxis und Lehre, die instituts- und fachbereichsübergreifend erfolgt sowie eine intensivierte Zusammenarbeit von zeitgenössischem Ausstellen und den Kunstsammlungen – wie es bereits die Dialogausstellung Thicket of Ideas – Thicket of Times charakterisiert. Andererseits sollen in Zukunft noch mehr Möglichkeiten für Studierende und Absolvent_innen geboten werden, ihre Werke zu präsentieren sowie eigene Ausstellungsprojekte umzusetzen – wie es Un Paradiso Amaro / Bitter Paradise und The Poiesis of Composting vor Augen führen.
„ Dem Ausstellen kommt eine wichtige Rolle in der Ausbildung der Studierenden zu. Es erschließt für die interessierte Öffentlichkeit aber auch die zeitgenössische Wissens- und Kunstproduktion der Akademie und damit nicht zuletzt die bedeutende Arbeit, die in der Lehre am Haus geleistet wird, für eine breite Öffentlichkeit. Hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Lehre und der damit verbundenen neuen Impulse darf man auch in Zukunft sehr gespannt sein.“ , so Ingeborg Erhart, als Vizerektorin zuständig für die Bereiche Kunst und Lehre.
Pressefotos
Hungry for Time
Thicket of Ideas - Thicket of Times
Un Paradiso Amaro/Bitter Paradise
The Poiesis of Composting