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Elisa R. Linn: Selbstorganisation von unten, um die Grenze zu überschreiten: Die Berliner Mauer als Kondom

Datum
Termin Label
Vortrag
Organisationseinheiten
Bildende Kunst
Ort, Treffpunkt (1)
Atelierhaus
Ort, Adresse (1)
Lehárgasse 8
Ort, Adresszusatz (1)
1. OG
Ort, PLZ und/oder Ort (1)
1060 Wien
Ort, Raum (1)
Atelier Süd

2. und 3. Dezember 2024
je 1618 Uhr

Zwei öffentliche Vorträge werden im Rahmen des Seminars „AIDS, DDR, EU, Globaler Kapitalismus und Hardcore Theorie“ organisiert, mit einem Fokus auf Sexualität, Gender, Widerstand, Migration und Selbstermächtigung. Das Seminar wird von Marina Gržinić und Elisa R. Linn geleitet.

Am 2. Dezember 2024 wird Linn in ihrem Vortrag „Grenzterritorien, Migrantische Andere und Mehrwert” am Beispiel der DDR darlegen, wie beide deutsche Staaten während der AIDS-Krise Migrant*innen, insbesondere Gast- und Vertragsarbeiter*innen, stigmatisierten und als „industrielle Reservearmee” einem Prozess kolonialer und kapitalistischer Differenzierung unterwarfen. Linn zeigt auf, wie auch nach der deutschen Wiedervereinigung mit dem „Asylkompromiss“ (1993) nicht nur eine Migrationsgeschichte geleugnet wurde, sondern auch die koloniale, rassistische und nekropolitische Vergangenheit und Gegenwart beider Staaten verschleiert wurde. Dabei zeichnet der Vortrag nach, wie im Zuge des Mauerfalls und der vermeintlichen Öffnung der Grenzen neue Mauern vor dem „Euro-Club“ (Stuart Hall) errichtet wurden und die Repräsentation von Grenzen, Territorium und Souveränität zu einem unumkehrbaren historischen Zwang geworden ist.

Am 3. Dezember 2024 befasst sich Linn in ihrem Vortrag „Grenzdenken und die Grenze überwinden: Die Konstruiertheit von Identität und Vorstellungen von Migration“ mit der Bedeutung und den Auswirkungen von Grenzen sowie dem „Grenzdenken“ (Gloria Anzaldúa/Walter D. Mignolo) auf die Entstehung von Gegenöffentlichkeiten und migratorischen Ästhetiken während der AIDS-Krise auf beiden Seiten der Berliner Mauer. Linn zeichnet nach, wie Grenzdenken grundlegend für das Verständnis selbstorganisierender und koalitionsbildender Prozesse von aktivistischen und ästhetischen Lebenspraktiken marginalisierter Gemeinschaften ist, die sich jenseits der breiten Öffentlichkeit, insbesondere in der DDR, herausgebildet haben. Wie haben Gruppen wie die Queer-, die Punk- und die Gast-/Vertragsarbeitergemeinschaft seit den frühen 1980er Jahren die kategorisierende Logik von Identität infrage gestellt und sich den Architekturen staatlicher Repräsentation und institutioneller Subjektivierung widersetzt? Und welche Lehren lassen sich aus diesen Praktiken für den heutigen Widerstand gegen Nativismus und „Borderization“ ziehen?

 

Elisa R Linn (Elisa Linn Roguszczak) ist Schriftstellerin, Ausstellungsmacherin und Dozentin. Sie ist Co-Direktorin und Kuratorin der Halle für Kunst Lüneburg e.V. und unterrichtet an der Leuphana Universität sowie am Bard College Berlin. Sie war als Gastdozentin an der ZHdK im Sommersemester 2024 angestellt und hat Vorträge an der New School, Barnard College, Columbia University, Pratt Institute in New York City, der Umeå Academy of Fine Arts, der Städelschule, der TU Berlin und der Royal Academy of Arts in London gehalten. Sie ist Absolventin des Whitney Independent Study Program und promoviert in Philosophie an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Sie hielt die Vertretungsprofessur für den Lehrstuhl Kunsttheorie und Vermittlung (Prof. Dr. Kerstin Stakemeier) an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg im Sommersemester 2022 inne. Linn veröffentlichte Texte in zahlreichen Publikationen und Magazinen wie Mousse, ArtAsiaPacific, Frieze, Artforum, Texte zur Kunst, BOMB und Jacobin. Sie hat Projekte u. a. bei The Kitchen, der South London Gallery, dem Whitney Museum, dem Bronx Museum, dem Museum Nivola in Sardinien und der Nationalgalerie Prag kuratiert.